Wie kann die Nachhaltigkeit in der Bewertung berücksichtigt werden? WelcheAspekte haben einen Einfluss auf den Wert? Und wo soll dieser gegebenenfallsberücksichtigt werden? Diese Fragen sollen im nachfolgenden Artikel am Beispielökologischer Dämmstoffe aufgezeigt werden.

Nachhaltigkeit hat in unserem Sprachgebrauch eine Vielzahl an Bedeutungen. Daher wird diesem Artikel die offizielle Definition des Brundtland-Berichts von 1987 zu Grunde gelegt: «Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.» Auf die Immobilienwirtschaft übertragen kann man sagen, dass die Grundsteine des nachhaltigen Bauens im achtsamen Umgang mit Baumateriealien, der Minimierung des Energieverbrauchs und der Sicherung der künftigen Generationen liegt. Es muss eine Optimierung sämtlicher Einflussfaktoren im Lebenszyklus einer Immobilie bis hin zur Verwertung der Baureststoffe angestrebt werden.

Der Wert einer Immobilie wird durch zahlreiche Faktoren bestimmt, einige von ihnen verändern sich im Laufe der Zeit, das heißt sie sind dynamisch. Die stärksten Einflussgrößen auf die Dynamik sind die gesellschaftlichen Veränderungen, Veränderungen von wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen und Umwelteinflüssen. Die größte Relevanz hat allerdings der jeweilige Markt. Jeder Sachverständiger muss für sich auf seinem regionalen Markt die Frage beantworten: Verändert sich die Nachfrage nach funktionalen, langlebigen, ressourcenschonenden und gesundheitsgerechten Immobilien positiv oder nicht? 
In der Metropolregion Frankfurt steigt die Nachfrage nach nachhaltigen Gebäuden, sogenannten Green Buildings, stetig an.1 Aber nicht nur die Nachfragen nach Neubauvorhaben sind gestiegen, auch nachhaltiges Sanieren im Bestand sind mehr und mehr im Kommen.

Was genau ist ein nachhaltiges Gebäude? Welche Merkmale sind wertbeeinflussend?

Der Berufsverband RICS hat eine Definition von nachhaltiges Gebäude herausgegeben: „Ein Gebäude, welches aufgrund seiner Ausgestaltung, Errichtung und Nutzung negative Einflüsse auf das ökologische sowie soziale Umfeld und die Umwelt während des gesamte Lebenszyklus der Immobilie minimiert, eine gesundheitsfördernde Umgebung bietet, sowie die Nutzung für Eigentümer, Nutzer und die Öffentlichkeit optimiert und dabei die Nutzung natürlicher Ressourcen minimiert bzw. eine ressourcenschonende Gebäudebewirtschaftung gewährleistet.“ 2 Hieraus lassen sich wesentliche Merkmale identifizieren, unter anderem die funktionale Qualität (heutige und zukünftige Nutzungsanforderungen), technische und bauliche Qualität, Umweltqualität (Ressourcen schonend) und ökonomische Qualität (geringere Bewirtschaftungskosten). Nun gilt es diese Merkmale für sein individuelles Bewertungsobjekt zu beschreiben und zu bestimmen wie stark diese gewichtet werden sollen.

Eine Dokumentation im Gutachten der ausgewählten Merkmale und deren Gesamteinfluss auf den Immobilienwert sind für die Nachvollziehbarkeit unabdingbar. 
Wesentlich ist hier zu beachten, dass eine mehrfache Berücksichtigung der wertbeeinflussenden Merkmale zu vermeiden ist. Aus diesem Grund lohnt sich ein Blick in die ImmoWertV, hier wird in § 6 Abs. 5 Satz 2 ImmoWertV unter anderem auf die energetischen Eigenschaften verwiesen. Allerdings gehen aus den Beschreibungen des Gebäudestandards der NHK 2010 (Anlage 2 SachwertR) nur eine grobe Anforderung hervor. Es obliegt dem Sachverständigen nach seiner Einschätzung die angemessene Standardstufe zu wählen. Eingeschränkt wird der Ermessenspielraum allerdings durch den Grundsatz der Modellkonformität § 21 Abs. 1, 2.Halbsatz ImmoWertV, nachdem die allgemeinen Wertverhältnisse zu berücksichtigen sind, die für die Ableitung der Sachwertfaktoren verwendet wurden. 
Weitere Hinweise zur Berücksichtigung nachhaltiger Elemente findet sich in der ImmoWertV hilfsweise im Liegenschaftszinssatz. „Liegenschaftszinssätze bilden die Zukunftserwartungen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs ab.“3 Daraus lässt sich ableiten, dass der Verkehrswert auch von der Zukunftserwartung des Erwerbers abhängt und Nachhaltigkeitsfaktoren einzubeziehen sind.

Beispiel: Berücksichtigung von Nachhaltige Dämmstoffe in der Bewertung

Für nachhaltige Dämmstoffe gibt es bis heute weder ein einheitliche Definition, noch ein allgemein gültiges Prüfzeichen. Hilfsweise lässt kann man sich an der Definition des Umweltsiegels Blauer Engel orientieren, die besagt das ökologische Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, aus Recycling-Material oder natürlich mineralischen Ursprungs sein kann.
Weitere Kriterien sind:

  • umweltschonender An- bzw. Abbau
  • überwiegend nachwachsender Rohstoff
  • kurze Transportwege
  • Vermeidung von Sondermüll
  • Wiederverwertbarkeit der Dämmstoffe
  • Schadstofffreiheit und schadstofffreie Verarbeitung
  • Überdurchschnittlicher sommerlicher Hitzeschutz
  • Feuchtigkeitsregulierung und gute Dämmleistung

Das wichtigste Argument ist aus gesamtökonomischer Sicht gesehen, dass der ökologische Dämmstoff mehr Energie einsparen soll, als zu seiner Herstellung beziehungsweise für seine Wiederverwertung eingesetzt werden muss.
In der folgenden Übersicht befindet sich ein Auszug der wichtigsten ökologischen Dämmstoffe und deren Eigenschaften4:

Dämmstoff Rohdichte
in kg/m3
Wärmeleitzahl
in W/(mxK)
Dampf-
diffusions-
widerstand
Vor- und Nachteile
Flachs 20-40 0,040 1-2
  • gute Wärmedämmung
  • schimmel- und schädlingsresistent
  • geringer Energieaufwand bei der Herstellung
  • bewohnbar durch Nagetiere
  • relativ schlechter sommerlicher Hitzeschutz
Hanf 20-40 0,040-0,045 1-2
  • gute Wärmedämmung
  • schimmel- und schädlingsresistent
  • geringer Energieaufwand bei der Herstellung
  • guter Schallschutz
  • bewohnbar durch Nagetiere
  • erschwert recycle- und kompostierbar bei synthetischen Faseranteilen
Holzfaser
(Platten)
170-230 0,040-0,060 5-10
  • gute Wärmedämmung
  • schimmel- und schädlingsresistent
  • geringer Energieaufwand bei der Herstellung
  • guter Schallschutz
  • bewohnbar durch Nagetiere
  • erschwert recycle- und kompostierbar bei synthetischen Faseranteilen
Schafwolle
(Matten)
20-25 0,035-0,045 1-5
  • sehr gute Wärmedämmung
  • schimmelresistent
  • sehr gute Feuchtigkeitsregulierungsfähigkeit
  • Schadstoffaufnahme aus Raumluft
  • relativ schlechter sommerlicher Hitzeschutz
  • lange Transportwege
  • viel Reinigungsmittel bei der Aufbereitung notwendig
  • ohne Zusätze schädlingsanfällig
Zellulose (Einblas-
dämmung)
40-60 0,040-0,045 1-2
  • gute Wärmedämmung
  • schimmel- und schädlingsresistent
  • guter sommerlicher Hitzeschutz
  • sehr gute Feuchtigkeitsregulierungsfähigkeitt
  • Rohstoffe sind Abfallprodukte
  • hohe Feinstaubbelastung bei Verarbeitung
  • nicht kompostierbar
  • anfällig für Fäulnis

Berücksichtigung der Nachhaltigkeit im Sach- und Ertragswertverfahren
Möglichkeiten im Sachwertverfahren

Die Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsaspekt könnte erfolgen bei:

  1. Herstellungskosten der baulichen Anlage -> Widerherstellungskosten für nachhaltige Immobilien ggf. höher (z.B. Spezialmaterialien)
  2. Berücksichtigung der besonderen Bauteile hoher Qualität ohne Verbindung zur Gebäudegröße (Photovoltaikanlagen, Stromspeicher, Ladestationen für e-Mobilität)
  3. Alterswertminderung -> Längere wirtschaftliche Restnutzungsdauer, damit geringere Abschreibungsraten
  4. Aufwertung nachhaltiger Immobilien aufgrund besserer Vermarktbarkeit -> Bildung eines Marktsegments

Die Möglichkeiten zur Berücksichtigung sind gegeben, an welcher Stelle beziehungsweise über welche Parameter eine Berücksichtigung erfolgt, muss der Gutachter im Einzelfall entscheiden und im Gutachten ausreichend begründen. Der Einfluss der Nachhaltigkeitsaspekten kann an zwei Stellschrauben berücksichtigt werden. Zum einen über die technische Fragestellung der Wiederbeschaffungskosten. Dies kann durch Hinzuziehung von Fachplanern/Handwerkern oder durch die Aktualisierung der Baukostentabelle beantwortet werden. Die Zweite Fragestellung ist die marktbezogene Anpassung. Reagiert der Markt und wenn ja, wie? Dies lässt sich aus den Erfahrungen der Gutachter selbst, durch Berufsverbände oder die Gutachterausschüsse beantworten.5

Möglichkeiten im Ertragswertverfahren

Die Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsaspekt könnte erfolgen bei:

  1. Jahresrohertrag -> Erzielung höherer Mietpreise aufgrund veränderter Präferenzen der Marktteilnehmer
  2. Bewirtschaftungskosten -> Sinkende BWK durch geringeres Mietausfallwagnis, einfachere Instandhaltung und Wartung
  3. Liegenschaftszinssatz -> höhere Restnutzungsdauer, bessere Vermarktungsfähigkeit, geringeres Verwertungsrisiko, gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit (Alleinstellungsmerkmal)

Die Möglichkeiten gelten hier analog zum oben erwähnten Sachwertverfahren. Eine wichtige Weiterentwicklung für die Bewertung der Nachhaltigkeitsaspekte wäre der Aufbau einer Transaktionsdatenbank, die die RICS schon 2011 forderten: „Das RICS Information Paper 22 empfiehlt Sachverständigen, ihre Daten- und Informationsbeschaffung bei Wertermittlungen sowie die darauf basierende Objektbeschreibung auf sämtliche nachhaltigkeitsbezogene Objekteigenschaften des Bewertungsobjekts auszudehnen; und zwar auch dann, wenn diese Eigenschaften aktuell noch nicht wertrelevant sind. Hierdurch würden Sachverständige wesentlich zur Verbesserung der Informationslage im jeweiligen Immobilienmarkt beitragen und die Analyse von Vergleichstransaktionen erst ermöglichen.“ 6

Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsaspekten in den besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmalen

Die Berücksichtigung in den besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmalen birgt die Gefahr der Fehlermarge von Schätzungen. Denkbar wäre hier die Werterhöhung über einen Barwert zu ermitteln. Die eingesparten Energiekosten abzüglich der Mehrkosten für die nachhaltige Holzfaserdämmung, welche über die Restnutzungsdauer mit einem angemessenen Zinssatz kapitalisiert werden. Gefahrenquelle verbergen sich hier bei der Einschätzung der eingesparten Energiekosten. In wie weit sich der Klimawandel auf die eingesparte Energie durch den besseren Hitzeschutz auswirkt kann man heute noch nicht verlässlich in Zahlen fassen.

Aufruf der Autorin

Jede Wertermittlung ist eine gutachterliche Beurteilung einer Immobilie, die aufgrund der Erfahrung und Expertise der Sachverständigen entstehen. Ein ausschlaggebender Teil ist die Kenntnis des lokalen und regionalen Marktes als Grundlage für jede Wertermittlung. In vielen Regionen des Landes werden Nachhaltigkeitsaspekte so gut wie keine Rolle spielen, doch anderenorts können Sachverständige Ihren Kunden bessere Entscheidungsgrundlagen bieten, wenn diese in den Gutachten die langfristigen (effektiven) Auswirkungen der Nachhaltigkeit aufzeigen. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist die bessere Vernetzung beziehungsweise ein besserer Informationsaustausch der Sachverständigen (siehe Forderung RICS), denn solange keine bundeseinheitliche Regelung der Datenerfassung und Ableitung der Marktdaten durch die Gutachterausschüsse besteht, müssen die Sachverständigen und die Berufsverbände selbst Verantwortung übernehmen und ins Handeln kommen.

1
CBRE Frankfurt GreenView Report 2018
2 RICS Valuation Standards Board (2008), p.5: “a property that“displays characteristics that minimise environmental impact through all parts of the buildings life-cycle and focuses on improved health for its occupiers, optimise utility for their owners and occupiers and the wider public, whilst minimising the use of natural resources and environmental impact.”
3 Kleiber 2020 S. 1292
4 Modernisierung 1-2 2019 S. 24-25
5 Nachhaltigkeit und Wertermittlung von Immobilien (NUWEL) Dez. 2011
6 RICS, 2011 S.4